Montag, 27. Februar 2012

Der aktive Springer und seine "Gabeldrohungen"


Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie einzelne Figuren wahre „Wunderwerke“ in einer Partie vollbringen. So geschehen in Biel 1976 in der Partie

Smyslow –Castro




In einem doppelten Doppelfianchetto-aufbau war es schon frühzeitig zu Abtauschaktionen gekommen. Castros Kommentar zu diesem Zeitpunkt : “Weniger Figuren, weniger Sorgen“ fand Eingang in das spätere Turnierbuch.
 Allerdings hätte er durchaus allen Grund zur Sorge gehabt, denn ihm gegenüber saß einer der besten Endspielkönner aller Zeiten, der frühere Weltmeister Wassily Smyslow.
  
Und mag die Stellung oberflächlich betrachtet durchaus remisverdächtig aussehen, so fällt doch ein wesentlicher Unterschied auf: Der weiße Springer ist bereits gut entwickelt, während der schwarze Springer noch nicht gezogen hat. Eine Kleinigkeit, mag mancher denken. Aber in der Hand eines Meisters können kleine Unterschiede manchmal Großes bewirken

 15. ... Sa6 16. Tfd1 Tfc8 17. Tac1 Kf6?!
 Natürlich war es schwer vorauszusehen, dass dieser an sich nicht ganz unlogische Königszug (Zentralisierung) die Wurzel späterer Probleme sein würde.. Aber auch die Alternativen 17. ... Sc5 18. b4! Und 17. ... Sb4 18. a3 Sd5 19. Sb5! hätten bessere Stellungen für Weiß ergeben.

18. Sb5!
Ein recht unangenehmer Zug. Es droht Txc8 und Td7
  
18. ... Sc5
Vielleicht wäre es hier besser gewesen, mit 18. ... Txc1 ein Turmpaar zu tauschen. Aber leicht wäre es wohl auch dann nicht für Schwarz geworden.
  
19. b4! Se6 20. Txc8! Txc8 21. Sxa7!






Hier mag Castro für einen Moment überrascht gewesen sein. Hatte Smyslow übersehen, dass er, Castro, nun aktives Gegenspiel auf der zweiten Reihe erhalten würde?

21. ... Tc2 22. a4!
 Vielleicht erst in diesem Moment mag Castro realisiert haben, dass 22. ... Ta2 nicht funktioniert. Nach 23. Sc8! Txa4 24. Sxb6! entpuppt sich der b4-Bauer als unantastbar: 24. ...Txb4?? 25. Sd5+ mit Turmgewinn. Nun erweist sich der vorherige Königszug nach f6 als recht „unglücklich“.

 22. ... Txe2
 Der Bauer ist bei weitem nicht so wichtig und schmeckt deshalb auch nur halb so gut.
  
23. Sc8!
 Und schon nimmt der Springer den nächsten Bauern auf`s Korn
  
23. .... b5 24. axb5 Tb2
 Der Turm gehört hinter die Freibauern! Also wird alles gut?






Mitnichten!

 25. Sb6!
 Und wieder ist der Bauer tabu wegen der drohenden Springergabel. Spätestens hier dürfte Castro geahnt haben, dass diese Partie wohl nicht mehr zu retten sein würde.
  
25. ... Sc7 26. Sd7+ Kg7 27. b6!
Mit Tempogewinn stößt der Freibauer nach vorne


  
27. ... Sa6 28. Sc5+! Sxb4 29. b7!
Nun ist der Bauer kurz vor dem ersehnten Ziel



 
29. .... Sc6 30. Td7  Sa5 31. Txe7


Hier langte es dem Schwarzen. Da er mit seinem König nicht zur Hilfe eilen kann, der weiße König aber schon, ist die Niederlage nur noch eine Frage von Zeit und (Schach-) technik.


1-0
Resümee: Der weiße Springer machte hier den Unterschied. Mit seinen Gabeldrohungen sicherte er die Existenz und das Vorankommen des Freibauern